Es ist noch gar nicht so lange her, da assoziierte man Tattoos mit Seefahrerei, Knast und Rotlichtmilieu. In den späten 1980er Jahren war ein tätowierter Unterarm »noch ’ne echte Ansage«, erinnert sich Kalle, der seit über 35 Jahren in Bamberg als Tätowierer arbeitet. Heutzutage fällt man allerdings fast mehr auf, wenn man kein Tattoo trägt. Angeblich ist inzwischen jeder vierte Deutsche unter 35 Jahren tätowiert. Dabei handelt es sich nicht nur um Künstler oder Kreative: Inzwischen lassen auch Bankangestellte und Beamte ihren Körper mit Tattoos verschönern. Gehört es demnach heute für junge Menschen genauso dazu, tätowiert zu sein, so wie das neueste iPhone zu besitzen? Ist man schlichtweg out, wenn man sich dem verweigert?
Wenn man früher zeigen wollte, dass man ein harter Hund ist und einiges auf dem Kerbholz hat, dann ließ man sich eine »Knastträne« tätowieren. Aber was verbinden Menschen heute mit ihrem Körperschmuck? Wollen Menschen mit ihren Tattoos etwas aussagen, sie als Kommunikationsinstrument einsetzen, oder geht es nur darum, mitreden zu können bzw. Teil eines Trends zu sein?
Auch Tattoos unterliegen Moden. Klamotten, die man heute trägt, kann man morgen in den Altkleidercontainer werfen, aber was macht man mit einem Arschgeweih, das man sich vor 20 Jahren auf den unteren Rücken hat tätowieren lassen?
Nach welchen Kriterien wählt man seinen Körperschmuck aus? Lässt man es bei ein paar Sternchen oder einer kleinen Rose, beschränkt sich auf Stellen, die man leicht bedecken kann, oder macht man es wie Johannes Stahl und lässt sich den Spruch »Shit never goes wrong« in krakeliger Schrift auf den Hals tätowieren? Lässt man sich von Mathes Krivy ein Ganzkörperkonzept tätowieren, das an polynesische rituelle Tattoos erinnert, damit aber eigentlich nichts zu tun hat, oder ist ein asiatischer Bodysuit von dem Forchheimer Snüden die richtige Entscheidung, wenn man seinen Körper verschönern lassen will? Wenn der Tätowierer keine passende Vorlage hat – im Internet findet sich für jeden Geschmack das passende.
Selbst in Kleinstädten gibt es heute meist mehrere Tattoostudios. Die Anzahl der Tätowierer hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, darunter sind immer mehr Absolventen von Kunstakademien und Designer wie Calina Hain. Sind Tattoos, wenn sie von Künstlern erstellt sind, Kunst bzw. wann sind Tattoos Kunst? Was bringt Menschen dazu, ihrem Tätowierer freie Hand bei der Modifizierung ihres Körpers zu geben? Tätowierer und Tätowierte erzählen von ihrem Verhältnis zu der Gestaltung des menschlichen Körpers.
Ein Film von Julia Thomas und Thomas Steigerwald • Länge: 55 Min.
Ausschnitte aus diesem Film waren im Oktober 2015 in der Ausstellung »Skin Stories. Tattoo & Kunst« in der kunst galerie fürth im Rahmen des Festivals »net:works« zu sehen – hier ein Teaser dazu.
Ein toller Einblick hinter die Kulissen und auf die Menschen der »Tattoo-Szene«.
Jeder der in diesem Film porträtierten Künstler würde sicherlich Erzählstoff für eine ganze Serie abendfüllender Reportagen bieten.
Authentischer und sympathischer als jede andere Tattoo-Sendung auf den privaten Kanälen.
#1
Beitrag hat mir sehr gut gefallen, schön dass sich mal Jemand für uns Tätowierer und tätowierte interessiert
#2
guter Beitrag, mal etwas anderes
#3