Mai 2022
»Ein Jubiläum und ein Ende. Sowas fällt oft zusammen.«, sagt Markus Feuerlein bei der Abschlusskundgebung des Nürnberger Klimacamps. Er war seit dem ersten Tag aktiv an der Mahnwache beteiligt, die Ende April, nach 600 Tagen des Campierens am Sebalder Platz und in Sichtweite des Rathauses beendet wurde.
Sie kämpften für Klimagerechtigkeit, wollten die Öffentlichkeit für die drohenden Folgen des Klimawandels sensibilisieren und die Stadt dazu bewegen, ihre Forderungen, die dem Stadtrat seit 2019 vorliegen, umzusetzen.
Ihr Anspruch war, mit dem Camp einen Ort zu schaffen, der frei von Repression und Diskriminierung ist, in dem Entscheidungen gemeinsam und gleichberechtigt getroffen werden, einen Ort, an dem sich jede*r sicher und wohl fühlen kann.
point hat drei Aktivist*innen während der letzten Camptage begleitet. Markus, Jani und Matteo erzählen über gute und schwere Zeiten, darüber, was mit der Mahnwache erreicht wurde, was die Zeit im Camp mit ihnen persönlich gemacht hat, und ob sie sich weiter politisch engagieren wollen.
April 2022
Das Baureferat der Stadt Fürth sucht seit Jahren händeringend nach Fachkräften zur Festanstellung. 2021 wurden vom Stadtrat 18 Stellen für die 6 Ämter des Referates genehmigt – die meisten sind bis heute unbesetzt.
Um an dieser „verheerenden Situation“ etwas zu ändern, beschloss Fürths Baureferentin Christine Lippert, ungewöhnliche Wege zu gehen. Fürther Künstler*innen wurden eingeladen, sich an einer Ausschreibung zu beteiligen, die zum Ziel hat, für die Ämter des Baureferats Stellenanzeigen zu entwerfen.
Entstanden sind 6 sehr unterschiedliche Kunstwerke, die vor kurzem der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
point hat den Entstehungsprozess einiger dieser Arbeiten begleitet und ist der Frage nachgegangen, inwieweit künstlerische Kreativität und die Anforderungen der Ämter an Stellenanzeigen zu einer erfolgreichen Symbiose zusammengeführt werden können.
Dezember 2021
Winter 2021: Auf dem Sebalder Platz, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Nürnberger Rathaus, steht seit September 2020 das Klimacamp. Mit einer permanenten Mahnwache machen die Aktivist*innen seit mehr als eineinviertel Jahren auf die drohenden Folgen des Klimawandels aufmerksam.
Mit ihrem Protest wollten sie erreichen, dass die gewählten Vertreter*innen der Stadtgesellschaft, die Anstrengungen, das 2015 in Paris beschlossene Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, verstärken.
Darüber hinaus haben die Aktivist*innen den Anspruch, möglichst repressions- und hierarchiefrei miteinander umzugehen. Für sie ist das Klimacamp auch der Versuch, »eine Utopie im Blickfeld des Rathauses zu leben«.
Andreas Krieglstein, der Fraktionschef der Nürnberger CSU, ließ im September 2021 verlauten, das Thema sei »durchkommuniziert«, und die Aktivist*innen sollen den Platz der Bevölkerung zurück geben. Das sahen die Klimacamper*innen völlig anders. Gemäß Ihres Wahlspruchs »Wir bleiben, bis ihr handelt« wollen sie das Klimacamp aufrechterhalten und die Mahnwache auch im zweiten Winter fortführen.
point hat die Aktivist*innen zweieinhalb Monate im Herbst und Winter 2021 bei ihrem Protest begleitet. Entstanden ist eine Reportage über Menschen, die sich mit ihrem Handeln der drohenden Klimakatastrophe in einer ihnen eigenen Radikalität entgegen stellen.
Im dritten Teil der Reportage sind Aufnahmen vom Hungerstreik der letzten Generation zu sehen – die Aufnahmen stammen von John Mio Mehnert, der zusammen mit Anny Reiser die Aktion vor dem Berliner Reichstag begleitet hat.
Juli 2021
Als im Sommer 2015 nach UNHCR Angaben mehr als 1 Million Menschen über das Mittelmeer nach Europa flohen, kamen viele von ihnen nach Nürnberg. Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Ulrich Maly erkannte schnell, dass man den Geflüchteten, die zum großen Teil in Notunterkünften untergebracht wurden, Beschäftigungsangebote machen muss. So entstand das Projekt »Kein Abseits im Fußball«, das beim Nürnberger SportService angesiedelt wurde.
Was anfangs vor allem dazu diente, den Geflüchteten Sportangebote zu machen, hat sich im Laufe der Jahre zu einer weitreichenden Unterstützung Jugendlicher und Heranwachsender bei der Integration in Deutschland entwickelt. Neben der Kooperation mit mehreren Nürnberger Sportvereinen gibt es inzwischen eine Sport-WG, in der 17 Geflüchtete leben, die während ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung unterstützt werden. Außerdem hat sich eine eigene Projektmannschaft gebildet, die beim ASN Pfeil Phönix inzwischen auch am Ligabetrieb teilgenommen hat – bis die Pandemie kam...
Im Zentrum der Arbeit steht Andrea Ackermann, die gemeinsam mit einem Netz von ehrenamtlichen Helfern und großem eigenem Engagement das Projekt mit Leben erfüllt. Zu ihr kommen die Jugendlichen, wenn sie Schreiben der Ausländerbehörde beantworten müssen, es in Schule oder Ausbildung zu Problemen kommt oder sie einen Ausbildungsplatz suchen. Andrea sucht für jedes Problem nach einer Lösung.
Die Geflüchteten zahlen mit gesellschaftlichem Engagement zurück. Sie arbeiten als Co-Trainer bei verschiedenen Sportvereinen, machen Sportangebote an Brennpunktschulen oder bieten anderen, noch nicht so gut Deutsch sprechenden Geflüchteten Deutschunterricht an, da die Kurse an Bildungseinrichtungen auf Grund von Corona über viele Monate ausgefallen sind. Ein Projekt, das zeigt, wie wichtig Unterstützung und ein entsprechendes Umfeld sind, damit Integration gelingen kann.
April 2021
Im März 2020 mussten in Deutschland auf Grund von Covid 19 alle Kultureinrichtungen schließen. Das kulturelle Leben in Deutschland ist seitdem fast vollständig lahmgelegt. Für Sabine Tipp, Leiterin des Jugendkulturmanagements con-action des Jugendamtes Fürth, eine Situation, mit der sie und ihr Team sich nicht abfinden wollten. Ihr Ziel: eine Veranstaltungsreihe im Freien in den Sommermonaten.
Während in ganz Deutschland Konzerte und Festivals abgesagt wurden, begann man trotz aller Unwägbarkeiten im Frühsommer 2020 mit den Vorbereitungen.
Geplant wurden Konzerte mit Bands aus dem In- und Ausland, Theateraufführungen und ein Familientag. Der »Sommer am Lindenhain« sollte an den Wochenenden von Juli bis Oktober stattfinden. Dabei war es den Macher*innen wichtig, dass die Bandauftritte als »Stehplatzkonzerte« stattfinden, um ein wenig Festivalfeeling zu ermöglichen.
Mit viel Elan ging man die Sache an und musste feststellen, dass die Rahmenbedingungen, unter denen Veranstaltungen im Sommer und Herbst 2020 durchgeführt werden durften, sich zum Teil täglich änderten. Für die Verantwortlichen eine riesige Herausforderung, da nicht nur die geforderten Hygienekonzepte, die man gerade ausgearbeitet hatte, wenige Tage später schon wieder überholt waren.
Trotz all dieser Widrigkeiten konnten alle Veranstaltungen durchgeführt werden. Für die Organisierenden ein großer Erfolg, für den sie von Publikum, den Musiker*innen und sonstigen Akteur*innen auf der Bühne viel Beifall und Lob erhielten.
Grund genug für Sabine Tipp und ihr Team, um auch 2021 eine Wiederholung des »Sommers am Lindenhain« anzugehen.
Eine Reportage, die zeigt, dass es sich auch in Pandemiezeiten lohnt, sich mit viel Engagement und Risikobereitschaft für Künstler*innen, Kulturschaffende und das Publikum einzusetzen.
Februar 2021
Im Frühjahr 2020 haben wir erstmals Fürther und Einrichtungen, die von den Covid 19-Maßnahmen besonders betroffen sind, besucht: Udo Martin vom Kulturzentrum Kofferfabrik, Michael Niedermeier, den Pächter des Bistro Galerie in der Gustavstraße, das Café Samocca, das Menschen mit Handicap beschäftigt, die Inhaber der TANZerei in der Fürther Südstadt und Mitarbeiter der Buchandlung Edelmann. Wir haben uns mit Schausteller Helmut Dölle getroffen und die Musikerin Steffi Zachmeier zu einem ihrer seltenen Auftritte in 2020 begleitet.
Im Januar haben wir diese Menschen noch einmal besucht und wollten wissen, wie es ihnen im vergangenen Jahr ergangen ist, wie sie Weihnachten verbracht haben und was sie vom Jahr 2021 erhoffen.
Entstanden ist eine Reportage über und mit Menschen, die von ihren Gefühlen, Hoffnungen und Ängsten erzählen, die sich fragen, ob sie ihrem Beruf irgendwann wieder in der gewohnten Weise nachgehen können (Schausteller Helmut Dölle: »So, wie es einmal war, wird es nie wieder werden.«) und sich auch Gedanken darüber machen, was Corona mit und aus unserer Gesellschaft macht. »Covid wird auf Dauer unsere Gesellschaft verändern, also da bin absolut davon überzeugt, das wird nicht mehr verschwinden, wir werden lernen müssen, damit zu leben.« (Heinz Krekeler von Bücher Edelmann), »Diese moralischen Ansprüche, die viele Leute da haben, ach die Gesellschaft, die ist jetzt sensibler, die ist jetzt solidarischer, das glaube ich nicht.« (Michael Niedermeier vom Bistro Galerie)
AKTUELL: Die Kündigung der Kofferfabrik zum 1. September 2021 ist erst einmal zurückgenommen worden. Über das weitere Schicksal des unabhängigen Kulturzentrums wird in der nächsten Woche in einer Videokonferenz zwischen Mieter, Vermieter und Stadt verhandelt.
Dezember 2020
Seit März 2015 betreibt die Lebenshilfe in der Fürther Innenstadt das Café Samocca. 20 Menschen mit Behinderung haben hier eine ebenso anspruchsvolle wie abwechslungsreiche Arbeit gefunden. Nach oftmals vielen Jahren im geschützten Rahmen der Werkstätten hatten sie sich entschieden, den Schritt an einen neuen anspruchsvollen Arbeitsplatz zu wagen. Im Laufe der Jahre haben sie immer mehr Verantwortung, auch für komplexe Aufgaben, übernommen und dabei viel Routine und Selbstsicherheit entwickelt. »Es war ne gute Entscheidung, im Samocca anzufangen, du hast das dann im Blut innendrin, und der Körper weiß, wie musst du es machen. Die Nervösigkeit ist weg und das ist das Beste.«
Im März diesen Jahres wollte man das fünfjährige Bestehen des Projekts feiern, doch dann erreichte die Corona-Pandemie Deutschland und das Samocca musste wie alle gastronomischen Betriebe schließen. Man behalf sich, indem man in den Caféräumen Werkstattarbeitsplätze für die Samocca-Beschäftigten einrichtete. Im Juni eröffnete das Samocca wieder mit einem mit neu erarbeiteten, aufwändigen Hygienekonzept und Beschäftigten, die froh waren, wieder arbeiten zu dürfen. Der Gästezuspruch hielt sich allerdings in Grenzen. »Wir sind jetzt ungefähr bei 50% im Vergleich zum Vorjahr, dennoch bin ich sehr stolz auf die Beschäftigten, die sich wirklich ganz konsequent an die Hygieneregeln halten, 8 Stunden mit dem Mund-Nasen-Schutz hier die Gäste bedienen, die halt noch da sind, da zieh ich echt den Hut.«, so Kaffeehausleitung Stephan Harrer.
Als im November der zweite Lockdown kommt und wieder Werkstattarbeit im Samocca gemacht werden muss, sehen sich die Verantwortlichen mit der Frage konfrontiert, ob und wie das Café unter diesen Umständen weiter geführt werden kann. Doch dass das Samocca für immer schließt, können und wollen sich die Beschäftigten nicht vorstellen. »In die Werkstatt zurückgehen? Kann ich net. Das will ich auch net.« (Felix Schneider), »Ich habe so einen großen Sprung gemacht und den möchte ich nicht wieder kaputt machen.« (Lisa Dahlmann)
Der Film zeigt, wie wichtig den Beschäftigten die Arbeit im Samocca geworden ist – »Samocca ist meine Familie und meine Freunde!« – welche Entwicklung sie in den fast sechs Jahren gelebter Inklusion gemacht haben – »Was meinste, wie lange ich gebraucht habe, bis ich fit hier drin war … jetzt ist der Knoten geplatzt!« und welche Gedanken sie sich zur Corona-Pandemie machen.
November 2020
Gisela Naomi Blume beschäftigt sich ab frühester Kindheit mit dem Thema Tod. Den Vater verliert sie, als sie gerade einmal 6 Jahre alt ist. Ihr Ehemann stirbt mit 45 Jahren. Gisela beschliesst, mit ihrem Leben etwas Sinnvolles anzufangen. Sie beginnt, sich für die jüdische Geschichte ihrer Heimatstadt Fürth zu interessieren. Als sie erfährt, dass die Gräber auf dem alten jüdischen Friedhof während des Dritten Reiches geschändet wurden, und die Nachfahren die Gräber der Verstorbenen nicht mehr auffinden können, beginnt sie zu recherchieren und es gelingt ihr, die 6500 noch erhaltenen Grabsteine wieder Menschen zuzuordnen.
Als 1995 auffällt, dass es in Fürth zwar ein Denkmal für die zerstörten Synagogen gibt, aber keines für die Opfer der Shoah, ist sie es, die aus unzähligen Archiven die Namen der Fürther Deportierten zusammenträgt und so maßgeblich dazu beiträgt, dass für diese Menschen Gedenktafeln entstehen können.
2002 konvertiert sie zum Judentum und wird zwei Jahre später zur Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde in Fürth gewählt. 2008 gibt sie den Vorsitz ab und widmet sich wieder verstärkt der Forschung. Mehrere Buchveröffentlichungen folgen.
Gisela Naomi Blume hat im Judentum ihre spirituelle Heimat gefunden. Darüber hinaus hat sie für die Stadt Fürth und die hier lebenden und verstorbenen Juden ein Stück Erinnerungskultur geschaffen, das über ihr Leben hinaus Bestand haben wird. »Mein Bestreben war es eben, nach jüdischer Tradition die Menschen in guter Erinnerung zu halten, und den Nachfahren in Bezug auf Fürth neben die schlimmen Erinnerungen auch irgendwie auf ihre alten Tage wieder etwas Positives dagegen zu setzen. Und ich hoffe doch, dass das bei manchen angekommen ist.«
Im Herbst 2020 erhält sie den Kulturpreis der Stadt Fürth.
Jüngste Kommentare