April 2022
Das Baureferat der Stadt Fürth sucht seit Jahren händeringend nach Fachkräften zur Festanstellung. 2021 wurden vom Stadtrat 18 Stellen für die 6 Ämter des Referates genehmigt – die meisten sind bis heute unbesetzt.
Um an dieser „verheerenden Situation“ etwas zu ändern, beschloss Fürths Baureferentin Christine Lippert, ungewöhnliche Wege zu gehen. Fürther Künstler*innen wurden eingeladen, sich an einer Ausschreibung zu beteiligen, die zum Ziel hat, für die Ämter des Baureferats Stellenanzeigen zu entwerfen.
Entstanden sind 6 sehr unterschiedliche Kunstwerke, die vor kurzem der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
point hat den Entstehungsprozess einiger dieser Arbeiten begleitet und ist der Frage nachgegangen, inwieweit künstlerische Kreativität und die Anforderungen der Ämter an Stellenanzeigen zu einer erfolgreichen Symbiose zusammengeführt werden können.
März 2022
Die ehemalige Pinselfabrik Leonhardy in der Johannisstraße steht leer. Künstler aus dem Stadtteil fragen sich, ob die weitestgehend intakten Räume der alten Fabrik als Ateliers genutzt werden könnten. Doch die Stadt Nürnberg als Eigentümerin hat andere Pläne: Das Gebäude wird wohl abgerissen werden, um die angrenzenden Hesperiden-Gärten erweitern zu können. Für die Künstler*innen bleibt dann vermutlich nur die Zwischennutzung als mögliche Option.
Die freie Szene hat es schwer: langfristige Mietverträge sind die Ausnahme. Oft müssen Räumlichkeiten schon nach wenigen Jahren wieder aufgegeben werden, wie das »Auf AEG« und bei Quelle bereits geschehen ist. Aber Kunst braucht Raum und Kreative eine Perspektive. Tut die Stadt Nürnberg genug für ihre Künstler*innen? Die Frage steht seit längerem im Raum.
Die neu geschaffenen Ateliers in der Tillystraße sind ein positives Beispiel: Dort haben viele ehemalige Künstler*innen Auf AEG durch tatkräftige Unterstützung des Kulturreferats eine neue Bleibe gefunden. Natürlich braucht es trotzdem sehr viel Eigeninitiative. Ein von den Kreativen gegründeter Verein sorgt für Struktur und kümmert sich um die Vermietung des Gebäudes.
Auch im Heizhaus auf dem alten Quelle-Gelände findet man viel Engagement: Dort finden sich schon seit mehreren Jahren neben Ateliers auch Offene Werkstätten, kleine Unternehmen und ein wöchentlicher Markt, der die Anwohner mit frischem Gemüse aus dem Umland versorgt. Diesen Status musste man sich aber hart erkämpfen. Auch die neuen Mieter im Kesselhaus an der Fürther Stadtgrenze haben diese Erfahrung gemacht. Auch hier waren es ehemalige Mieter*innen der Ateliers Auf AEG, die sich dort in Eigenregie ohne Unterstützung der Stadt ein neues kreatives Zuhause geschaffen haben.
Fazit: Die freie Szene hat in Nürnberg großes Potenzial, ist aber viel zu oft nicht sichtbar.
Dezember 2021
Winter 2021: Auf dem Sebalder Platz, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Nürnberger Rathaus, steht seit September 2020 das Klimacamp. Mit einer permanenten Mahnwache machen die Aktivist*innen seit mehr als eineinviertel Jahren auf die drohenden Folgen des Klimawandels aufmerksam.
Mit ihrem Protest wollten sie erreichen, dass die gewählten Vertreter*innen der Stadtgesellschaft, die Anstrengungen, das 2015 in Paris beschlossene Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, verstärken.
Darüber hinaus haben die Aktivist*innen den Anspruch, möglichst repressions- und hierarchiefrei miteinander umzugehen. Für sie ist das Klimacamp auch der Versuch, »eine Utopie im Blickfeld des Rathauses zu leben«.
Andreas Krieglstein, der Fraktionschef der Nürnberger CSU, ließ im September 2021 verlauten, das Thema sei »durchkommuniziert«, und die Aktivist*innen sollen den Platz der Bevölkerung zurück geben. Das sahen die Klimacamper*innen völlig anders. Gemäß Ihres Wahlspruchs »Wir bleiben, bis ihr handelt« wollen sie das Klimacamp aufrechterhalten und die Mahnwache auch im zweiten Winter fortführen.
point hat die Aktivist*innen zweieinhalb Monate im Herbst und Winter 2021 bei ihrem Protest begleitet. Entstanden ist eine Reportage über Menschen, die sich mit ihrem Handeln der drohenden Klimakatastrophe in einer ihnen eigenen Radikalität entgegen stellen.
Im dritten Teil der Reportage sind Aufnahmen vom Hungerstreik der letzten Generation zu sehen – die Aufnahmen stammen von John Mio Mehnert, der zusammen mit Anny Reiser die Aktion vor dem Berliner Reichstag begleitet hat.
November 2021
Sie beraten Musiker, veranstalten Konzerte und kümmern sich um Barrierefreiheit: Andreas Jäger und Julian Menz sind die »Popularmusikberater« des Bezirks Mittelfranken.
In ihrem Büro im Kulturhaus Stein laufen die Fäden zusammen: Zwischen Schreibtisch und Teeküche wird über neuen Projekten gehirnt.
Gerade für junge Bands sind die beiden eine zentrale Anlaufstelle geworden – im Mittelpunkt steht dabei oft die Frage, wie man auch in Pandemiezeiten die Musik zum
Publikum bringen kann. Dabei hilft es, dass Julian und Andreas selbst Musiker sind und mit ihren Bands Pam Pam Ida und Me & Reas viele der Schwierigkeiten – aber auch der cleveren Ideen – aus eigener Hand kennen.
»Pop für alle!« lautet ihr Anspruch – und das bezieht sich auch auf Menschen mit Behinderungen. Gemeinsam mit dem blinden Berater Hansi Mühlbauer von der Initiative
»Barrierefrei feiern« werden Locations auf ihre Tauglichkeit für Personen mit unterschiedlichen Handicaps getestet. Und schließlich wird sogar ein Live-Konzert auf die Beine gestellt....
Juli 2021
Als im Sommer 2015 nach UNHCR Angaben mehr als 1 Million Menschen über das Mittelmeer nach Europa flohen, kamen viele von ihnen nach Nürnberg. Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Ulrich Maly erkannte schnell, dass man den Geflüchteten, die zum großen Teil in Notunterkünften untergebracht wurden, Beschäftigungsangebote machen muss. So entstand das Projekt »Kein Abseits im Fußball«, das beim Nürnberger SportService angesiedelt wurde.
Was anfangs vor allem dazu diente, den Geflüchteten Sportangebote zu machen, hat sich im Laufe der Jahre zu einer weitreichenden Unterstützung Jugendlicher und Heranwachsender bei der Integration in Deutschland entwickelt. Neben der Kooperation mit mehreren Nürnberger Sportvereinen gibt es inzwischen eine Sport-WG, in der 17 Geflüchtete leben, die während ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung unterstützt werden. Außerdem hat sich eine eigene Projektmannschaft gebildet, die beim ASN Pfeil Phönix inzwischen auch am Ligabetrieb teilgenommen hat – bis die Pandemie kam...
Im Zentrum der Arbeit steht Andrea Ackermann, die gemeinsam mit einem Netz von ehrenamtlichen Helfern und großem eigenem Engagement das Projekt mit Leben erfüllt. Zu ihr kommen die Jugendlichen, wenn sie Schreiben der Ausländerbehörde beantworten müssen, es in Schule oder Ausbildung zu Problemen kommt oder sie einen Ausbildungsplatz suchen. Andrea sucht für jedes Problem nach einer Lösung.
Die Geflüchteten zahlen mit gesellschaftlichem Engagement zurück. Sie arbeiten als Co-Trainer bei verschiedenen Sportvereinen, machen Sportangebote an Brennpunktschulen oder bieten anderen, noch nicht so gut Deutsch sprechenden Geflüchteten Deutschunterricht an, da die Kurse an Bildungseinrichtungen auf Grund von Corona über viele Monate ausgefallen sind. Ein Projekt, das zeigt, wie wichtig Unterstützung und ein entsprechendes Umfeld sind, damit Integration gelingen kann.
Juni 2021
2019 lag der Umsatz von biologischen Lebensmitteln in Deutschland bei 12 Milliarden Euro – das ist eine Steigerung um knapp 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch machen Bio-Produkte lediglich 6 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. Nur 12 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe haben bisher auf Bio umgestellt.
Diese Zahl lässt sich auch auf das Knoblauchsland im Nürnberger Norden übertragen. Von den rund 130 Vollerwerbsbetrieben haben sich nur etwa 10 Prozent auf biologischen Anbau spezialisiert. Die Ökologische Landwirtschaft bleibt in einer Nische. Dabei hat sie mehr zu bieten als gesunde Lebensmittel: Sie erhält unsere Natur und läßt uns im Idealfall wissen, wo unsere Nahrung her kommt.
Dies ist beispielsweise beim Prinzip der Abokiste Hemhofen der Fall. Der Lieferservice hat ausschließlich Bioprodukte im Angebot. Viele werden sogar am Hof selbst produziert.
Die Solidarische Landwirtschaft geht noch einen Schritt weiter: Durch die Mitgliedschaft entsteht ein enges Verhältnis zwischen Landwirt und Verbraucher. Der kann sogar bestimmen, was auf dem Feld angebaut werden soll.
Im Münzinghof hat man sich schon lange der bio-dynamischen Landwirtschaft verschrieben. Ein wichtiger Bestandteil des landwirtschaftlichen Kreislaufs ist dort die natürliche und wesensgemäße Rinderhaltung.
April 2021
Im März 2020 mussten in Deutschland auf Grund von Covid 19 alle Kultureinrichtungen schließen. Das kulturelle Leben in Deutschland ist seitdem fast vollständig lahmgelegt. Für Sabine Tipp, Leiterin des Jugendkulturmanagements con-action des Jugendamtes Fürth, eine Situation, mit der sie und ihr Team sich nicht abfinden wollten. Ihr Ziel: eine Veranstaltungsreihe im Freien in den Sommermonaten.
Während in ganz Deutschland Konzerte und Festivals abgesagt wurden, begann man trotz aller Unwägbarkeiten im Frühsommer 2020 mit den Vorbereitungen.
Geplant wurden Konzerte mit Bands aus dem In- und Ausland, Theateraufführungen und ein Familientag. Der »Sommer am Lindenhain« sollte an den Wochenenden von Juli bis Oktober stattfinden. Dabei war es den Macher*innen wichtig, dass die Bandauftritte als »Stehplatzkonzerte« stattfinden, um ein wenig Festivalfeeling zu ermöglichen.
Mit viel Elan ging man die Sache an und musste feststellen, dass die Rahmenbedingungen, unter denen Veranstaltungen im Sommer und Herbst 2020 durchgeführt werden durften, sich zum Teil täglich änderten. Für die Verantwortlichen eine riesige Herausforderung, da nicht nur die geforderten Hygienekonzepte, die man gerade ausgearbeitet hatte, wenige Tage später schon wieder überholt waren.
Trotz all dieser Widrigkeiten konnten alle Veranstaltungen durchgeführt werden. Für die Organisierenden ein großer Erfolg, für den sie von Publikum, den Musiker*innen und sonstigen Akteur*innen auf der Bühne viel Beifall und Lob erhielten.
Grund genug für Sabine Tipp und ihr Team, um auch 2021 eine Wiederholung des »Sommers am Lindenhain« anzugehen.
Eine Reportage, die zeigt, dass es sich auch in Pandemiezeiten lohnt, sich mit viel Engagement und Risikobereitschaft für Künstler*innen, Kulturschaffende und das Publikum einzusetzen.
Februar 2021
Im Frühjahr 2020 haben wir erstmals Fürther und Einrichtungen, die von den Covid 19-Maßnahmen besonders betroffen sind, besucht: Udo Martin vom Kulturzentrum Kofferfabrik, Michael Niedermeier, den Pächter des Bistro Galerie in der Gustavstraße, das Café Samocca, das Menschen mit Handicap beschäftigt, die Inhaber der TANZerei in der Fürther Südstadt und Mitarbeiter der Buchandlung Edelmann. Wir haben uns mit Schausteller Helmut Dölle getroffen und die Musikerin Steffi Zachmeier zu einem ihrer seltenen Auftritte in 2020 begleitet.
Im Januar haben wir diese Menschen noch einmal besucht und wollten wissen, wie es ihnen im vergangenen Jahr ergangen ist, wie sie Weihnachten verbracht haben und was sie vom Jahr 2021 erhoffen.
Entstanden ist eine Reportage über und mit Menschen, die von ihren Gefühlen, Hoffnungen und Ängsten erzählen, die sich fragen, ob sie ihrem Beruf irgendwann wieder in der gewohnten Weise nachgehen können (Schausteller Helmut Dölle: »So, wie es einmal war, wird es nie wieder werden.«) und sich auch Gedanken darüber machen, was Corona mit und aus unserer Gesellschaft macht. »Covid wird auf Dauer unsere Gesellschaft verändern, also da bin absolut davon überzeugt, das wird nicht mehr verschwinden, wir werden lernen müssen, damit zu leben.« (Heinz Krekeler von Bücher Edelmann), »Diese moralischen Ansprüche, die viele Leute da haben, ach die Gesellschaft, die ist jetzt sensibler, die ist jetzt solidarischer, das glaube ich nicht.« (Michael Niedermeier vom Bistro Galerie)
AKTUELL: Die Kündigung der Kofferfabrik zum 1. September 2021 ist erst einmal zurückgenommen worden. Über das weitere Schicksal des unabhängigen Kulturzentrums wird in der nächsten Woche in einer Videokonferenz zwischen Mieter, Vermieter und Stadt verhandelt.
Jüngste Kommentare