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Medien PRAXIS - Das point Reportage Sendungs-Blog


November 2016

»Wir sind bunt« – Ein­blicke in ei­ne »ganz nor­ma­le« Grund- und Mit­tel­schu­le

Das Baye­ri­sche Schul­sy­stem ist bis heu­te drei­ge­glie­dert. Nach ei­ner ge­mein­sa­men vier­jäh­ri­gen Grund­schu­le für al­le Re­gel­schü­ler sieht es nach der vier­ten Klas­se ei­ne Auf­tei­lung in ver­schie­de­ne Schul­ar­ten vor. Ne­ben den so­ge­nann­ten »wei­ter­füh­ren­den Schu­len«, dem Gym­na­si­um und der Re­al­schu­le, gibt es seit 2011 die Mit­tel­schu­le, für, wie es ei­ne Leh­re­rin be­schreibt, »den Rest, der es nicht ge­schafft hat«. An ca. 600 Stand­or­ten in Bay­ern sind an die Grund­schu­le Mit­tel­schu­len an­ge­schlos­sen, so auch an der Für­ther Pe­sta­loz­zi­schu­le.

In den meisten Schulstunden steht auch für Klassen, in denen viele Schüler einen erhöhten Förderbedarf haben, nur eine Lehrkraft zur Verfügung

2011 wur­den die ehe­ma­li­gen Haupt­schu­len in Mit­tel­schu­len um­be­nannt. Im Baye­ri­schen Kul­tus­mi­ni­ste­ri­um ver­sprach man sich da­von ei­ne Auf­wer­tung des Schul­spren­gels. Aber hat die Na­mens­än­de­rung et­was ge­bracht? Die stär­ke­ren Schü­ler ver­las­sen wei­ter nach der vier­ten Klas­se die Grund­schu­le Rich­tung Gym­na­si­um oder Re­al­schu­le.

Die Zusammenarbeit zwischen Förderschülern der Hallemannschule und den Regelschülern funktioniert in der Grundschule gut, wird aber durch den Weggang der sozial starken Schüler auf weiterführende Schulen immer schwieriger

Da­bei sind die An­sprü­che an die Mit­tel­schu­le wei­ter ge­stie­gen. El­tern ha­ben die Mög­lich­keit, frei zu wäh­len, ob sie Kin­der, die ein Han­di­cap ha­ben, an ei­ne För­der­schu­le oder ei­ne Grund- und spä­ter dann Mit­tel­schu­le schicken. Der An­teil der Schü­ler mit Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund und den da­mit oft­mals ver­bun­de­nen Sprach­schwie­rig­kei­ten ist in den letz­ten Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich an­ge­wach­sen, Leh­rer se­hen sich im­mer öf­ter mit Schü­lern kon­fron­tiert, die ver­hal­tens­auf­fäl­lig sind oder Mo­ti­va­ti­ons­pro­ble­me ha­ben.

Zusätzlicher Förderunterricht ist erst durch das Profil Inklusion möglich, das die Pestalozzischule seit 2014 hat – für 50 Kinder mit erhöhtem Förderbedarf stehen jedoch nur 24 Wochenstunden zur Verfügung

Was ge­blie­ben ist, ist der Wunsch von Schul­lei­tung und Leh­rern, die Schü­ler mög­lichst gut auf die Ar­beits­welt vor­zu­be­rei­ten, aber ist dies un­ter die­sen Um­stän­den zu schaf­fen? Kann ein ein­zel­ner Leh­rer die An­sprü­che, die an ihn ge­stellt wer­den, über­haupt er­fül­len oder be­darf es da­zu ei­gent­lich ei­ner zwei­ten aus­ge­bil­de­ten Lehr­kraft, zu­min­dest in den Kern­fä­chern? Wie soll man Ein­zel­ne för­dern, wenn sich al­lei­ne an der Mit­tel­schu­le 50 Schü­ler mit be­son­de­rem För­der­be­darf be­fin­den und da­für ge­ra­de ein­mal 24 För­der­stun­den pro Wo­che zur Ver­fü­gung ste­hen? Wel­che Rol­le spielt da­bei das Baye­ri­sche drei­glied­ri­ge Schul­sy­stem, und was be­deu­tet es ins­be­son­de­re im Be­zug auf den In­klu­si­ons­ge­dan­ken?

Ab der siebten Klasse werden die Schüler durch verschiedene Maßnahmen auf den Berufseinstieg vorbereitet – hier bei einem Praktikum in einer Schreinerei

Ei­ne en­ga­gier­te Leh­re­rin aus der Mit­tel­schu­le meint: »So­lan­ge El­tern tag­täg­lich in der Grund­schu­le er­le­ben, wir müs­sen stark sein, das hat ’nen Wert. Ich will, dass mein Kind aufs Gym­na­si­um geht, die Mit­tel­schu­le, das sind die Idio­ten, ich sags mal so deut­lich, kann ich nicht da­von spre­chen, dass al­le Men­schen ir­gend­wie ei­nen glei­chen Wert ha­ben, und das är­gert mich per­sön­lich.« Sie träumt da­von »dass wir den Kin­dern ei­ne Schu­le an­bie­ten kön­nen mit ei­ner Schul­tü­re und sich die­se Schu­le dann in­ner­halb des Ge­bäu­des ver­zweigt, so dass die Kin­der die Mög­lich­keit ha­ben, ent­spre­chend ih­rer Ver­an­la­gung und Be­ga­bung das ei­ne oder an­de­re zu ab­sol­vie­ren.« Ei­ne Vor­stel­lung, die wohl im­mer ein Traum blei­ben wird?

Projekte, die zur Berufsvorbereitung dienen, wie die Anschaffung und der Ausbau eines Bauwagens für die SMV, wären ohne die Unterstützung von Sponsoren nicht möglich

Me­di­en PRAXIS e.V. hat meh­re­re Jah­re die Si­tua­ti­on an der Für­ther Pe­sta­loz­zi­schu­le ver­folgt. Ent­stan­den ist ei­ne drei­tei­li­ge Re­por­ta­ge mit fol­gen­den Schwer­punk­ten:

  1. Mög­lich­kei­ten und Gren­zen des Mit­ein­an­der und von­ein­an­der Ler­nens im drei­glied­ri­gen Schul­sy­stem

  2. Die Schwie­rig­kei­ten, den Ge­dan­ken der In­klu­si­on an ei­ner Mit­tel­schu­le mit Le­ben zu fül­len

  3. Die Her­aus­for­de­rung, Schü­lern ei­ne ad­äqua­te Be­rufs­vor­be­rei­tung zu­kom­men zu las­sen

Ein Film von Ju­lia Tho­mas und Tho­mas Stei­ger­wald  •  Län­ge: 90 Min.

auf DVD erhältlicher Film Die­ser Film ist auf DVD er­hält­lich.
November 2016

Mit­ma­chen macht Schu­le – Das »Frei­wil­li­ge So­zia­le Schul­jahr«

Szenenfoto

Schü­le­rin­nen und Schü­ler ab der 8. Klas­se von Mit­tel­schu­len, Re­al­schu­len und Gym­na­si­en kön­nen in Zu­sam­men­ar­beit mit ver­schie­de­nen Ein­rich­tun­gen von Kom­mu­nen, Ver­bän­den und Ver­ei­nen ein Frei­wil­li­ges So­zia­les Schul­jahr (FSSJ) ab­lei­sten.

Szenenfoto

Die Ein­satz-Mög­lich­kei­ten rei­chen von Kin­der­gär­ten bis Al­ten­hei­men, von der Frei­wil­li­gen Feu­er­wehr zum Bund Na­tur­schutz, vom Tier­heim zum Sport­ver­ein. Das FSSJ be­inhal­tet über die Dau­er ei­nes Schul­jah­res au­ßer­halb des Un­ter­richts ei­ne zwei­stün­di­ge eh­ren­amt­li­che Tä­tig­keit in der Wo­che.

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Die­ses Pro­jekt der Ca­ri­tas bie­tet Schü­le­rin­nen und Schü­lern die Chan­ce, sich so­zi­al zu en­ga­gie­ren, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und wich­ti­ge so­zia­le Kom­pe­ten­zen zu trai­nie­ren. Zu­dem gibt es An­re­gun­gen für die be­ruf­li­che Zu­kunft und ein Zeug­nis.

Ein Film von Mo­ni­ka Zur­ha­ke und Jo­chen Vet­ter  •  Län­ge: 27:30 Min.

April 2016

40 Jah­re KUNO – Vom Kul­tur­la­den Nord zum Kul­tur­zen­trum Nord

Als der KUNO ein Jahr nach seiner Gründung 1976 die Räumlichkeiten in der Wurzelbauerstraße bekam, mussten viele ehrenamtlich geleistete Arbeitsstunden in den Umbau gesteckt werden.

Das in der Nürn­ber­ger Nord­stadt ge­le­ge­ne Stadt­teil­zen­trum KUNO ist Teil der vor 40 Jah­ren ent­stan­de­nen Idee, in mög­lichst vie­len Stadt­tei­len klei­ne de­zen­tra­le Kul­tur­zen­tren ent­ste­hen zu las­sen. Die vom da­ma­li­gen Kul­tur­re­fe­ren­ten Her­mann Gla­ser ent­wickel­te Vor­stel­lung, nie­der­schwel­li­ge, al­le Be­völ­ke­rungs­grup­pen an­spre­chen­de kul­tu­rel­le An­ge­bo­te zu ma­chen, hat un­ter dem Stich­wort »So­zio­kul­tur« in den 1980er Jah­ren bun­des­wei­te Be­deu­tung er­langt.

Bei den berühmten Montagssitzungen rauchten nicht nur die Köpfe...

Aus der Auf­bruchs­stim­mung der 1968er Ge­ne­ra­ti­on her­aus fan­den sich im »Kul­tur­la­den Nord« Men­schen zu­sam­men, die in der Ge­sell­schaft et­was ver­än­dern woll­ten. In den 1980er Jah­ren gab es im KUNO vie­le In­itia­ti­ven, die sich kul­tu­rell, so­zi­al oder po­li­tisch en­ga­gier­ten. Ne­ben den »Müt­tern ge­gen Atom­kraft« nutz­ten un­ter an­de­rem Green­peace, die So­lar­ener­gie­initia­ti­ve und Ro­bin Wood die Räu­me. Ver­ei­ne, wie die die Schwan­ge­ren­be­ra­tung­stel­le oder Nürn­ber­ger Aids­hil­fe wur­den hier ge­grün­det. Pro­te­ste ge­gen Ein­schnit­te im Kul­tur­etat, ge­gen den zwei­ten Golf­krieg oder der Auf­ruf zum Volks­zäh­lungs­boy­kott wur­den von KU­NO-Mit­glie­dern maß­geb­lich mit­or­ga­ni­siert.

Margit Mohr, Leiterin des KUNO, hat Gründungsmitglieder des Vereins eingeladen, um sich mit ihnen über die ersten Jahre auszutauschen.

Die po­li­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten wur­den im Lau­fe der Jah­re we­ni­ger, die Zahl de­rer, die sich ak­tiv en­ga­gier­ten, nahm ab und die Haupt­ver­ant­wort­li­chen sa­hen sich mit sin­ken­den Be­su­cher­zah­len kon­fron­tiert. Da­her nahm man im Jah­re 2009 ei­nen Re­launch vor: aus dem Kul­tur­la­den Nord wur­de das Kul­tur­zen­trum Nord.

Künstler haben im Galeriehaus Präsentationsmöglichkeiten, die in kommerziellen Galerien eher selten geboten werden.

Mar­git Mohr, seit 25 Jah­ren Lei­te­rin des noch im­mer selbst­ver­wal­te­ten KUNO hielt ei­nen Neu­start für not­wen­dig: »Der Re­launch dien­te da­zu, dass wir uns auf un­se­re Kern­kom­pe­ten­zen be­sin­nen, und wir ha­ben dann her­aus­ge­fun­den, dass wir mit dem Ga­le­rie­haus die bil­den­de Kunst als den er­sten Kern­be­reich, als wei­te­ren Kern­be­reich die Li­te­ra­tur mit dem jet­zi­gen Li­te­ra­tur­zen­trum Nord ha­ben und der drit­te Kern­be­reich ist der Kul­tur­treff Nord, der sub­su­miert das Ca­fé Zeit­los, das Kurs- und Fort­bil­dungs­pro­gramm, die Rei­he Jazz­früh­stück, und al­le Grup­pen­treffs, die hier statt­fin­den.« Wenn­gleich sich die Schwer­punk­te der Ar­beit im Lau­fe der Jah­re ver­scho­ben ha­ben, fühlt man sich im KUNO dem Gla­ser­schen Ge­dan­ken der So­zio­kul­tur bis heu­te ver­pflich­tet.

Das alle sechs Wochen stattfindende Jazzfrühstück ist meist ausverkauft.

Seit Jahr­zehn­ten un­ver­än­dert fe­ster Be­stand­teil des KU­NO-Pro­gramms ist das 1. Mai-Fest. Hier kommt seit Jah­ren die Nürn­ber­ger Al­ter­na­tiv- und Po­lit­sze­ne zu­sam­men, schwelgt in Er­in­ne­run­gen oder schaut wie der Künst­ler Pe­ter Ham­mer vor­bei, um sich zu in­for­mie­ren: »Man muss doch wis­sen, wer noch am Le­ben ist und wie alt er ge­wor­den ist.«, um dann fest­zu­stel­len, »die sind al­le äl­ter ge­wor­den, wahr­schein­lich so­gar ich.«

Trotz Regen und schlechten Wetters kommen die Besucher am 1. Mai in den KUNO.

Ein Film von Ju­lia Tho­mas und Tho­mas Stei­ger­wald  •  Län­ge: 65 Min.

auf DVD erhältlicher Film Die­ser Film ist auf DVD er­hält­lich.
Februar 2016

Ein­ge­schrie­ben in die Haut

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Es ist noch gar nicht so lan­ge her, da as­so­zi­ier­te man Tat­toos mit See­fah­re­rei, Knast und Rot­licht­mi­lieu. In den spä­ten 1980er Jah­ren war ein tä­to­wier­ter Un­ter­arm »noch ’ne ech­te An­sa­ge«, er­in­nert sich Kal­le, der seit über 35 Jah­ren in Bam­berg als Tä­to­wie­rer ar­bei­tet. Heut­zu­ta­ge fällt man al­ler­dings fast mehr auf, wenn man kein Tat­too trägt. An­geb­lich ist in­zwi­schen je­der vier­te Deut­sche un­ter 35 Jah­ren tä­to­wiert. Da­bei han­delt es sich nicht nur um Künst­ler oder Krea­ti­ve: In­zwi­schen las­sen auch Bank­an­ge­stell­te und Be­am­te ih­ren Kör­per mit Tat­toos ver­schö­nern. Ge­hört es dem­nach heu­te für jun­ge Men­schen ge­nau­so da­zu, tä­to­wiert zu sein, so wie das neue­ste iPho­ne zu be­sit­zen? Ist man schlicht­weg out, wenn man sich dem ver­wei­gert?

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Wenn man frü­her zei­gen woll­te, dass man ein har­ter Hund ist und ei­ni­ges auf dem Kerb­holz hat, dann ließ man sich ei­ne »Knast­t­rä­ne« tä­to­wie­ren. Aber was ver­bin­den Men­schen heu­te mit ih­rem Kör­per­schmuck? Wol­len Men­schen mit ih­ren Tat­toos et­was aus­sa­gen, sie als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­stru­ment ein­set­zen, oder geht es nur dar­um, mit­re­den zu kön­nen bzw. Teil ei­nes Trends zu sein?

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Auch Tat­toos un­ter­lie­gen Mo­den. Kla­mot­ten, die man heu­te trägt, kann man mor­gen in den Alt­klei­der­con­tai­ner wer­fen, aber was macht man mit ei­nem Arsch­ge­weih, das man sich vor 20 Jah­ren auf den un­te­ren Rücken hat tä­to­wie­ren las­sen?

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Nach wel­chen Kri­te­ri­en wählt man sei­nen Kör­per­schmuck aus? Lässt man es bei ein paar Stern­chen oder ei­ner klei­nen Ro­se, be­schränkt sich auf Stel­len, die man leicht be­decken kann, oder macht man es wie Jo­han­nes Stahl und lässt sich den Spruch »Shit never goes wrong« in kra­ke­li­ger Schrift auf den Hals tä­to­wie­ren? Lässt man sich von Ma­thes Kri­vy ein Ganz­kör­per­kon­zept tä­to­wie­ren, das an po­ly­ne­si­sche ri­tu­el­le Tat­toos er­in­nert, da­mit aber ei­gent­lich nichts zu tun hat, oder ist ein asia­ti­scher Bo­dy­su­it von dem Forch­hei­mer Snü­den die rich­ti­ge Ent­schei­dung, wenn man sei­nen Kör­per ver­schö­nern las­sen will? Wenn der Tä­to­wie­rer kei­ne pas­sen­de Vor­la­ge hat – im In­ter­net fin­det sich für je­den Ge­schmack das pas­sen­de.

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Selbst in Klein­städ­ten gibt es heu­te meist meh­re­re Tat­too­stu­di­os. Die An­zahl der Tä­to­wie­rer hat in den letz­ten Jah­ren sprung­haft zu­ge­nom­men, dar­un­ter sind im­mer mehr Ab­sol­ven­ten von Kunst­aka­de­mien und De­si­gner wie Ca­li­na Hain. Sind Tat­toos, wenn sie von Künst­lern er­stellt sind, Kunst bzw. wann sind Tat­toos Kunst? Was bringt Men­schen da­zu, ih­rem Tä­to­wie­rer freie Hand bei der Mo­di­fi­zie­rung ih­res Kör­pers zu ge­ben? Tä­to­wie­rer und Tä­to­wier­te er­zäh­len von ih­rem Ver­hält­nis zu der Ge­stal­tung des mensch­li­chen Kör­pers.

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Ein Film von Ju­lia Tho­mas und Tho­mas Stei­ger­wald  •  Län­ge: 55 Min.

Aus­schnit­te aus die­sem Film wa­ren im Ok­to­ber 2015 in der Aus­stel­lung »Skin Sto­ries. Tat­too & Kunst« in der kunst ga­le­rie fürth im Rah­men des Fe­sti­vals »net:works« zu se­hen – hier ein Teaser da­zu.

Dezember 2015

Sam­oc­ca – Fran­chise ein­mal an­ders

Rechenunterricht: Im Ernstfall muss die Kasse stimmen

In den letz­ten Jah­ren hat sich die Kaf­fee­haus­land­schaft in Deutsch­land stark ver­än­dert: Vie­le von Bäcke­rei­en be­trie­be­ne Ca­fés ha­ben ge­schlos­sen. An ih­re Stel­le sind deutsch­land­weit agie­ren­de Ket­ten ge­tre­ten, die meist im Fran­chise be­trie­ben wer­den. Sam­oc­ca ist ei­nes die­ser Un­ter­neh­men, das sich al­ler­dings in ei­nem wich­ti­gen Punkt von den Mit­be­wer­bern un­ter­schei­det: 80% der Be­schäf­tig­ten sind Men­schen mit Han­di­cap.

Übung macht die Meisterin: Wenn das Balancieren mit dem Tennisball klappt, dann auch mit vollen Kaffeetassen

Im Früh­jahr 2015 wur­de in Fürth das er­ste Sam­oc­ca in Mit­tel­fran­ken er­öff­net. Seit­dem ar­bei­ten hier 15 Be­schäf­tig­te der Le­bens­hil­fe. Nach oft­mals vie­len Jah­ren im ge­schütz­ten Rah­men der Werk­stät­ten ha­ben sie sich ent­schie­den, den Schritt an ei­nen neu­en an­spruchs­vol­len Ar­beits­platz zu wa­gen. Ar­bei­ten in ei­nem Ca­fé, das be­deu­tet Schicht- und Wo­chen­end­dienst, acht Stun­den ste­hen und ge­hen und da­bei die Gä­ste im­mer gleich freund­lich be­han­deln. So et­was geht nicht im­mer oh­ne Stress ab.

Einweisung vor der Eröffnung: Auch wenn anfangs nicht jeder Handgriff sitzen wird, so werden die Prozesse so gut es geht verinnerlicht

Da­mit der ho­he An­spruch an Qua­li­tät und Ser­vice er­füllt wer­den kann, wur­de von den Fran­chise-Ge­bern ein spe­zi­el­les Be­stell­sy­stem ent­wickelt. Das er­mög­licht selbst Men­schen, die we­der le­sen noch schrei­ben kön­nen, im Sam­oc­ca zu ar­bei­ten.

Fertig zum Start: Das Samocca-Team in schicker Dienstkleidung

Fast al­le, die seit nun­mehr neun Mo­na­ten im Ca­fé ar­bei­ten, sind trotz der ho­hen An­for­de­run­gen mit viel En­ga­ge­ment bei der Sa­che und stolz auf das, was sie zu lei­sten ver­mö­gen. Ani­ta Hof­mann fasst es so zu­sam­men: »Mir ge­fällt es sehr gut, dass die Leu­te uns an­schau­en und se­hen, was wir ma­chen. Die den­ken, wir schaf­fen das nicht, weil wir sind be­hin­der­te Men­schen, die das gleich wie­der auf­ge­ben, aber dass wir es schaf­fen, heißt, wir sind ein Team. Und wenn die Leu­te das nicht glau­ben, sol­len sie uns be­su­chen und se­hen, wie wir uns dar­an hal­ten.«

Los geht's: Sowohl vor als auch hinter der Theke ist die Arbeit gleichermaßen anspruchsvoll

Der Film be­glei­tet das Pro­jekt von den er­sten Vor­be­rei­tun­gen, über die mit viel Stress ver­bun­de­ne Er­öff­nungs­pha­se bis hin zum Kaf­fee­haus­be­trieb. Die Be­schäf­tig­ten er­zäh­len von ih­ren Er­war­tun­gen und Äng­sten, von Stress­si­tua­tio­nen und Er­folgs­er­leb­nis­sen und ge­ben so ei­nen be­ein­drucken­den Ein­blick in das, was sie trotz ih­res Han­di­caps zu lei­sten ver­mö­gen.

Mit vollem Tablett zum Gast geschlängelt: Längst nicht jeder »normale« Mensch würde ohne weiteres schaffen, was die behinderten Mitarbeiter(innen) hier täglich leisten

Ein Film von Ju­lia Tho­mas und Tho­mas Stei­ger­wald  •  Län­ge: 62 Min.

auf DVD erhältlicher Film Die­ser Film ist auf DVD er­hält­lich.
Juni 2015

Herz aus Asphalt – ei­ne Stra­ße zwi­schen Nürn­berg und Fürth

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Die Für­ther Stra­ße in Nürn­berg und die Nürn­ber­ger Stra­ße in Fürth: Die­se knapp sechs Ki­lo­me­ter der Bun­des­stra­ße 8 sind mehr als die wich­tig­ste Ver­bin­dungs­stra­ße zwi­schen zwei Nach­bar­städ­ten. Hier fan­den die Nürn­ber­ger Pro­zes­se statt und hier wa­ren mit AEG, Tri­umph Ad­ler, Grun­dig und der Quel­le gro­ße, weit über die Re­gi­on hin­aus be­deu­ten­de Fir­men an­ge­sie­delt.

Szenenfoto

Da­von ist nicht viel ge­blie­ben und doch pocht das »Herz aus Asphalt« noch im­mer: Heu­te ist die Stra­ße auf Nürn­ber­ger Sei­te vom Struk­tur­wan­del be­trof­fen und zu ei­nem mul­ti­kul­tu­rel­len ge­präg­ten Bou­le­vard ge­wor­den. Hier kann man fla­nie­ren oder es sich in schö­nen Ca­fés und Knei­pen gut ge­hen las­sen kann. Und auf Für­ther Sei­te: da führt die Stra­ße di­rekt zur Mi­chae­lis-Kirch­weih, der größ­ten Stra­ßen­kirch­weih Bay­erns, und spä­te­stens dann, wenn in Fürth die fünf­te Jah­res­zeit aus­ge­bro­chen ist, kom­men auch die Nürn­ber­ger nach Fürth...

Ein Film von Nor­bert Gold­ham­mer, To­bi­as Klink, Phil­ipp Niem­öl­ler und Ei­ke Scham­bu­rek  •  Län­ge: 30 Min.

Januar 2015

Mit­ein­an­der ler­nen, an­ein­an­der wach­sen – In­klu­si­on in ei­ner Part­ner­klas­se

Eine wichtige Rolle beim gemeinsamen Lernen spielen die Paten

Seit 2002 gibt es an der Für­ther Pe­sta­loz­zi­schu­le ei­ne so­ge­nann­te Part­ner­klas­se. Hier wer­den Re­gel­schü­ler und Kin­der mit be­son­de­rem För­der­be­darf aus der Hal­le­mann­schu­le der Le­bens­hil­fe von ei­ner Grund­schul­leh­re­rin und ei­ner Son­der­schul­leh­re­rin von der er­sten bis zur vier­ten Klas­se ge­mein­sam un­ter­rich­tet.

An der Pestalozzischule gibt es eine offene Ganztagesbetreuung, bei der die Kinder unter vielen Freizeitangeboten wählen können: Dienstags trifft sich die Ruder-AG am Rhein-Main-Donau Kanal

Hin­ter­grund ist ei­ne UN-Re­so­lu­ti­on, die 2009 von der Bun­des­re­gie­rung ra­ti­fi­ziert wur­de. Dort heißt es, dass Men­schen mit Han­di­cap die Teil­nah­me an al­len ge­sell­schaft­li­chen Be­lan­gen zu er­mög­li­chen ist. Dies hat un­ter an­de­rem da­zu ge­führt, dass auch Men­schen mit kör­per­li­chen oder gei­sti­gen Be­hin­de­run­gen an Re­gel­schu­len ein­ge­schult wer­den.

Gegenseitiges Vertrauen ist nicht nur beim Geburtstagsritual wichtig in der Partnerklasse

Die Idee, die In­klu­si­on in Form ei­ner Part­ner­klas­se zu rea­li­sie­ren, wur­de zu­nächst von al­len Sei­ten mit ei­ner ge­wis­sen Skep­sis be­ob­ach­tet: El­tern von För­der­schü­lern hat­ten Be­den­ken, dass ih­re Kin­der zu we­nig Auf­merk­sam­keit be­kä­men, El­tern von Re­gel­schü­lern be­fürch­te­ten, dass ih­re Kin­der nicht ge­nug ler­nen. Doch von den an­fäng­li­chen Be­den­ken ist in der Part­ner­klas­se we­nig ge­blie­ben. Man ist sich in­zwi­schen ei­nig, dass bei­de Sei­ten von­ein­an­der pro­fi­tie­ren. »Es ist nach den vier Jah­ren jetzt für al­le ein Ge­winn, wir ha­ben von den Be­hin­der­ten ge­lernt, und die Be­hin­der­ten eben von den nor­ma­len Kin­dern und das ist ei­gent­lich für al­le ei­ne Si­tua­ti­on, die schön ist, weil kei­ner ir­gend­wo Ver­lier ist, son­dern al­le da­durch ge­won­nen ha­ben«, so die Mut­ter ei­ner Re­gel­schü­le­rin.

Bei der letzten gemeinsamen Klassenfahrt auf Burg Trausnitz

Der Film be­glei­tet Schü­ler ei­ner Part­ner­klas­se wäh­rend ih­rer Grund­schul­zeit und zeigt, dass In­klu­si­on mehr sein kann als ei­ne ge­sell­schaft­li­che Rand­no­tiz, wenn der po­li­ti­sche Wil­le da­zu vor­han­den ist.

Wir be­dan­ken uns für die Un­ter­stüt­zung bei:
HERMANN GUTMANN STIFTUNG
Le­bens­hil­fe Fürth e. V.
För­der­ver­ein PESTA e. V.
Re­gie­rung von Mit­tel­fran­ken

Ein Film von Ju­lia Tho­mas und Tho­mas Stei­ger­wald  •  Län­ge: 64 Min.

auf DVD erhältlicher Film Die­ser Film ist auf DVD er­hält­lich.
Juni 2014

Kunst und Kul­tur »Auf AEG«

Der Bildhauer Sebastian Kuhn war der erste Künstler, der »Auf AEG« sein Atelier einrichtete – in der ehemaligen Staplerwerkstatt.

Als MIB das AEG-Ge­län­de nach der Werks­schlie­ßung 2007 kauf­te, setz­te Pro­jekt­ent­wick­ler Bert­ram Schult­ze bei dem Ver­such, dem Ge­län­de neu­es Le­ben ein­zu­hau­chen, ganz stark auf die Kar­te Kunst und Kul­tur. Schon bald hat­ten rund 80 Künst­ler auf dem Ge­län­de ei­ne neue Hei­mat ge­fun­den und auch die Stadt Nürn­berg ent­schied recht schnell, ei­ne der Hal­len zu kau­fen, um dar­in ei­ne 4800 qm gro­ße Kul­tur­werk­statt ein­zu­rich­ten.

Jedes Jahr im September findet »Offen Auf AEG« statt. An einem Wochenende können die Besucher das Gelände und die dort untergebrachten Einrichtungen und Firmen besichtigen. Gleichzeitig wird eine der noch nicht vermieteten Hallen für 14 Tage zur Galerie.

Mit ei­ner im Jah­res­rhyth­mus statt­fin­den­den gro­ßen Kunst­au­stel­lung, die maß­geb­lich durch Wer­ke der sich »Auf AEG« be­find­li­chen Künst­ler ge­prägt ist, ge­lingt es, Jahr für Jahr bis zu 20.000 Men­schen auf das Ge­län­de zu locken.

Während in fast allen Bereichen die Entwicklung positiv verläuft, ist es schwierig, das Gelände dauerhaft zu einem Galeriestandort zu entwickeln. Der Verein Zentrifuge wird im Spätsommer das Gelände verlassen.

Künst­ler­ate­liers, da­zu kul­tu­rel­le Ver­an­stal­tun­gen und die Prä­sen­ta­ti­on von Kunst statt der Schal­tung teu­rer Wer­be­an­zei­gen – das Kon­zept geht auf. Heu­te, sie­ben Jah­re spä­ter, sind gro­ße Tei­le des Ge­län­des ver­mie­tet und bald wird der Platz auf dem Ge­län­de knapp.

Julia Frischmann, Fürther Kulturförderpreisträgerin, fasst die Situation der Künstler »Auf AEG« so zusammen: »AEG heißt ja auch: Auf eigene Gefahr.«

Aber was wird aus den Künst­lern, die maß­geb­lich da­zu bei­getra­gen ha­ben, dass sich kaum noch je­mand an das ehe­mals schlech­te Image des Ge­län­des er­in­nert? Wird der Er­folg des Ent­wick­lungs­kon­zep­tes für die Künst­ler zu ei­nem Bu­me­rang oder bleibt MIB sei­ner Idee treu? Wird das AEG-Ge­län­de auch in Zu­kunft ein Ort sein, an dem sich Kunst, Kul­tur und mit­tel­stän­di­sche Un­ter­neh­men ge­gen­sei­tig be­fruch­ten und so das Are­al auf Dau­er zu et­was Be­son­de­rem ma­chen?

Ein Film von Ju­lia Tho­mas und Tho­mas Stei­ger­wald  •  Län­ge: 52 Min.

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