Mai 2014
Am Dienstag, dem 27. Mai 2014, wurde in der Dauphin Speed Event Halle in Hersbruck der Medienpreis der Metropolregion verliehen. Von Medien PRAXIS e. V. waren zwei Filme in der Sparte Reportage und Feature nominiert. Die Dokumentation »Lebenslust, Lebensfrust – vom spannungsreichen Leben in der Gustavstraße« wurde von der Jury mit dem 2. Preis ausgezeichnet.
Die Laudatio hielt Andrea Kuhn (Internationale Filmtage der Menschenrechte e. V.). Ein Ausschnitt: »Langzeitdokumentationen sind eher selten beim privaten Rundfunk, in diesem Jahr gab es nicht nur eine, sondern sie führte uns auch in einen beinahe epischen Konflikt in Fürth. Ausgewogen und differenziert wird da ein über Jahre schwelender Nachbarschaftsstreit spannend und informativ aufgearbeitet.« … »Ein toller Beitrag, der an dem Thema dran bleibt und die ganze Komplexität in diesem Konflikt wiedergibt.«
Mai 2014
Die 1892 gegründete AEG entwickelt sich Anfang des 20. Jahrhunderts zum weltweit größten Industriekonzern. Unter dem AEG-Logo werden der Farbfernseher und das Bildtelefon erfunden, die elektronische Fernsehkamera und das Tonband. Das Nürnberger Werk produziert vor alle »weiße Ware« – Waschmaschinen, Trockner und Kühlschränke.
Doch in den 1980er Jahren beginnt eine steile Abwärtsspirale. Im Laufe von zwei Jahrzehnten muss der einstige Weltkonzern einen Vergleich anmelden und wird von Elektrolux aufgekauft. Nach einer kurzen Erholungsphase, in der die Mitarbeiter neue Hoffnung schöpfen, kommt dann 2007 für die Produktionsstätte in Nürnberg das endgültige Aus. Das Stammwerk wird geschlossen und die Produktion nach Polen und Italien verlagert.
Für viele Nürnberger ist dies ein Schock. Zum einen verlieren die letzen 1.700 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz, zum anderen droht das 168.000 m² große Grundstück zu einer industriellen Brache zu werden. Dazu ist es nicht gekommen. Noch bevor die letzten Arbeiter das Gelände verlassen haben, findet sich zur Überraschung vieler mit MIB ein Investor, der sich für das Gelände interessiert und es Elektrolux abkauft.
Zunächst wird fast ein Drittel der Gebäude abgerissen, um Raum und Licht zu schaffen, anschließend wird mit der Sanierung der Gebäude begonnen. Unter dem Titel »Creating communities« versucht Projektentwickler Bertram Schultze, die Flächen zu vermarkten – mit Erfolg. »Auf AEG« hat sich ein Mix aus mittelständischen Firmen, Künstlern sowie universitären und kulturellen Einrichtungen niedergelassen. Auch wenn noch immer einige Gebäude leer stehen, noch einiges aus- und umgebaut werden muss – auf dem AEG-Gelände ist neues Leben eingekehrt.
Die Reportage gibt einen Einblick in die Entwicklungen der letzten sieben Jahre.
April 2014
Wolfram und Christina Kahle sind überzeugte Verfechter einer ökologischen Lebensweise. 1980 macht Wolfram Kahle seine Überzeugung zum Beruf und beginnt, auf Wochenmärkten in Norddeutschland Naturkostwaren zu verkaufen. Neun Jahre später zieht er mit seiner Frau Christina nach Mittelfranken und eröffnet in der heimischen Garage einen ersten Bio-Laden. Die alteingesessene heimische Bevölkerung in der ca. 25 km von Nürnberg entfernt gelegenen Gemeinde Baiersdorf kann zunächst wenig mit dem Angebot anfangen.
Mit viel Geduld und großem Werbe- und Überzeugungsaufwand gelingt es, den Laden zu etablieren. Im Laufe der Jahre entwickelt sich das Geschäft immer besser – die beiden expandieren. Gemeinsam mit Geschäftspartnern betreiben sie zeitweise fünf »BioMarkt«-Läden in Erlangen und Umgebung.
Noch immer meldet die Naturkostbranche jedes Jahr Umsatzrekorde. Überall schießen Bio-Supermärkte aus dem Boden, aber die Kahles sehen in diesem Umfeld für sich und ihr Geschäftskonzept keine Zukunft: »Der Markt verlangt, dass die Flächen immer größer werden, die Taktungszeiten an der Kasse immer schneller werden, und damit haben wir dann letztendlich den konventionellen Supermarkt komplett kopiert und das, was wir an Lebensqualität in diesen Geschäften und mit diesen Produkten transportieren wollten, verraten.«
Für Wolfram Kahle und seine Frau hat die Naturkostbewegung im Laufe der Jahre ihre Ideale aus dem Blick verloren – Grund genug für die beiden, auszusteigen.
Oktober 2013
2009 kaufte Mühlenkraft e. V. in der Hersbrucker Schweiz die Harnbacher Mühle. Der Verein will das 21 Hektar große Gelände in den nächsten Jahren so entwickeln, dass Menschen mit Handicap hier nicht nur eine sinnvolle Arbeit finden, sondern ihnen auch ein möglichst freier Zugang zur Natur ermöglicht wird.
Unter dem Titel »Abenteuer für alle« organisiert der Verein bereits seit einigen Jahren Freizeiten in der Natur. Mit selbstgebauten Rollfietsen werden für gehbehinderte oder gelähmte Menschen Waldwege zugänglich, mit entsprechenden Schlauchbooten können sie sogar an einer Bootsfahrt teilnehmen.
Mit dem Ausbau des Geländes sollen in den nächsten Jahren diese Aktivitäten weiter entwickelt werden. Gleichzeitig soll die Harnbacher Mühle zu einem Ort der Begegnung werden, der Menschen mit Handicap interessante Arbeitsplätze bietet. Hierzu will der Verein eine Schule errichten, gastronomische Angebote machen und die Wald- und Wiesenflächen gärtnerisch bewirtschaften.
Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg: Zunächst muss das nötige Geld besorgt werden. Keine einfache Aufgabe, zumal das Gelände auch noch in einem Naturschutzgebiet liegt.
Die Reportage zeigt zum einen die ersten Freizeitangebote, die hier für Jugendliche mit und ohne Handicap gemacht werden, zeigt das ehrenamtliche Engagement des Netzwerkes »Unternehmen Ehrensache«, die bei einem Corporate Volunteering Day den Verein bei Arbeiten auf dem Gelände unterstützt haben und begleitete eine Gruppe von angehenden Permakulturdesignern, die sich eine Woche damit beschäftigt haben, wie man die geplanten Aktivitäten des Vereines an der Harnbacher Mühle so verwirklichen kann, dass dabei möglichst wenig Eingriffe in die Natur erforderlich sind.
Februar 2013
Anfang dieser Woche sahen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion unter dem Artikel »Lebenslust, Lebensfrust – vom spannungsreichen Leben in der Gustavstraße« auf unbestimmte Zeit zu deaktivieren. Einige schriftliche bzw. fernmündlich (mit unterdrückter Rufnummer) geäußerte Meinungen waren derart niveaulos, dass wir dies weder akzeptieren noch veröffentlichen wollten. Wir sahen uns mit Unterstellungen, Beleidigungen und sogar mit der Androhung bzw. Ankündigung von Straftaten konfrontiert, die größtenteils gegen Dritte, aber zum Teil auch gegen uns ausgesprochen wurden. In der bald 18-jährigen Schaffenszeit von Medien PRAXIS e. V. ist dies ohne Beispiel.
Damit konnten nun leider auch Kommentare von Personen, die sich die Mühe gemacht haben, ihre Meinung sehr differenziert niederzuschreiben, nicht mehr veröffentlicht werden. Dass wir auf diese Weise Zensur ausüben wollen (wie vereinzelt behauptet), weisen wir entschieden zurück. Leider ist davon auch unser erklärtes Anliegen, eine offene und respektvolle Diskussion zu führen, betroffen.
Während der Austausch von Argumenten auf anderen Plattformen (Blogs, diverse Facebook-Seiten) zumindest teilweise mit Behauptungen, Unterstellungen und Diffamierungen untermauert wird, möchten wir eben dies auf unserer Homepage verhindern. Aus diesem Grund ist es in unserem Blog verpflichtend, Mail-Adresse und Namen anzugeben. Dies führt allerdings dazu, dass sich Menschen, die nicht alle Entwicklungen in der Gustavstraße gutheißen, sehr schwer tun, sich frei zu äußern. Sie befürchten Repressionen oder gar Mobbing. Man spricht zwar am Telefon oder persönlich offen mit uns, möchte aber auf keinen Fall, dass der eigene Name publik wird. Ängste, die anscheinend schon länger existieren: Anwohner, die sich 2011 mit einer Unterschriftsliste ans Ordnungsamt wandten, um sich über die Zunahme von Lärm-Emmissionen zu beschweren, bestanden schon damals darauf, dass die Liste vorher anonymisiert wird.
Eine ehemalige Anwohnerin spricht im Film davon, wie schade es ist, dass die gemäßigten Stimmen auf Grund der Schärfe, die der Konflikt inzwischen erreicht hat, nicht mehr gehört werden. Das sehen wir ähnlich, zumal wir immer wieder aufs Neue von Situationen erfahren, in denen versucht wird, Menschen zu beeinflussen oder unter Druck zu setzen.
Im Zusammenhang mit dem Konflikt kursieren eine ganze Reihe von Gerüchten, Unterstellungen und Behauptungen, die ehrverletzend sind, in Einzelfällen sogar strafrechtlich relevant sein könnten. Seit wir uns mit dem Thema beschäftigen, werden wir fast täglich damit konfrontiert. Einiges war bzw. ist im Internet nachzulesen. Das meiste wird aber mündlich (ganz bewusst?) weitergegeben. Wir mussten feststellen, dass diese Aussagen nicht nur wesentlich zur Meinungsbildung beitragen, sondern sich auch oft nach dem Prinzip der »Stillen Post« verselbstständigen und mit jeder weiteren Wiedergabe an Schärfe und Dramatik zunehmen.
Wie also mit dieser Situation umgehen? Wie kann man in einer Stadt, die sich als liberal und weltoffen versteht, ein Klima erzeugen, in dem man wieder angstfrei und ohne Opfer von Polemik zu werden, seine Meinung vertreten kann? Alle, die sich dazu äußern wollen, laden wir hiermit herzlich dazu ein, dies hier zu tun. Wir bitten, dabei auf Unterstellungen zu verzichten.
PS.: Am kommenden Sonntag wiederholen wir das Kurzportrait einer Fürther Jüdin, die 1938, als 17-jähriges Mädchen nach Polen deportiert wurde. Obwohl diese Stadt Ausgangspunkt ihrer jahrzehntelangen Leidensgeschichte ist, während der sie unter anderem fünf Jahre in einem russischen Konzentrationslager zubringen musste, kehrte sie in den 1960er Jahren in ihr geliebtes Fürth zurück: Sie wollte die Einwohner dieser Stadt nicht für das, was ihr geschehen war, verantwortlich machen. Vielleicht ein gutes Beispiel dafür, dass es meist mehrere Möglichkeiten gibt, mit Situationen umzugehen, selbst wenn man Unrecht erleiden musste...
September 2012
In der Nähe der mittelfränkischen Gemeinde Dietersheim liegt der Hausenhof: Die von einer Elterninitiative vor 25 Jahren gegründete anthroposophische Lebensgemeinschaft hat den Anspruch, umweltbewusst zu leben und Menschen mit Unterstützungsbedarf zu fördern.
Derzeit leben und arbeiten auf dem Hausenhof 122 Menschen – die Hälfte davon mit geistiger Behinderung. Das Gemüse wird in der Gärtnerei und auf den Feldern angebaut, Fleisch und Milch liefern die zum Hof gehörenden Schweine und Kühe. Der benötigte Strom kommt von den eigenen Photovoltaikanlagen, eine Hackschnitzelheizung sorgt im Winter für die nötige Wärme.
Die Menschen mit und ohne Förderbedarf leben in großfamilienähnlichen Strukturen zusammen. Arbeit finden die Bewohner in der Landwirtschaft oder der Dorfmeisterei, in der Käserei oder Bäckerei, in der Weberei oder dem Dorfladen. Die Reportage gewährt Einblicke in eine Lebensform, die mitunter an längst vergangene Zeiten erinnert und doch zukunftsfähig zu sein scheint.
Juni 2012
Familie Malowaniec bewohnt mit zwei Kindern, einer Katze und einem verspielten Hund ein Reihenhaus in einem Nürnberger Vorort. Der Vater geht zur Arbeit, die Mutter kümmert sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Eine Familie, wie es unzählige gibt, und doch werden sie in der Nachbarschaft zum Gesprächsstoff, als bekannt wird, dass ihre beiden Kinder hochbegabt sind und eine Klasse überspringen. Frau Malowaniec erinnert sich: »Als wir darüber gesprochen haben, weil wir einfach selber die Freude mitteilen wollten, haben wir gemerkt, dass es in Neid ausgeartet ist, und in Mobbing.« – eine Erfahrung, die Eltern hochbegabter Kinder immer wieder machen müssen.
Dabei ist es meist weder für die Eltern noch für die Kinder einfach, mit dieser besonderen Gabe umzugehen. Bei den einen führt die Unterforderung an der Schule zur Leistungsverweigerung, andere fühlen sich als etwas Besonderes, reagieren mit Arroganz und werden so zu Außenseitern.
Um derartige Probleme zu vermeiden, setzen sich die Eltern intensiv mit dem Thema auseinander und investieren viel Zeit in die Erziehung: »Das waren nicht Kinder, die man in die Ecke setzen konnte, die haben einen immer wieder herausgefordert.« Sie versuchen, ihren Kindern eine unbeschwerte Kindheit, frei von Leistungsdruck zu ermöglichen und ihnen gleichzeitig ein gesundes Selbstwertgefühl mitzugeben: »Ich hab immer mit den Kindern ein Lied gesungen – sei ein lebendiger Fisch und schwimme gegen den Strom, es ist manchmal schwer, gegen den Strom zu schwimmen, aber es lohnt sich.«
April 2012
Für Menschen, die aufgrund ihrer Biografie oder ihrer sozialen Stellung kaum mit einem universitären Bildungsangebot in Berührung kommen, rief der Verein Straßenkreuzer e. V. 2010 die Straßenkreuzer Uni ins Leben. Das Vorlesungsangebot ist kostenlos und wendet sich in erster Linie an Frauen und Männer aus Einrichtungen der Obdachlosenhilfe. Der Anspruch der Organisatoren ist es, wissenschaftliche Zusammenhänge verständlich zu vermitteln und Interessierte ohne Zugangsschwelle an spannende Wissensgebiete heranzuführen. Dabei soll niemand ausgeschlossen werden, doch vielen Besuchern der Veranstaltungen fehlt es nicht nur am Geld, andere Bildungsangebote wahrzunehmen, sondern auch am dazu nötigen Selbstbewusstsein: »Es ist einfacher, zu so einer Veranstaltung zu gehen, wenn man weiß, die Leute haben alle eine ähnliche Geschichte wie ich, ich muss mich da nicht irgendwie vorstellen, rechtfertigen, ich werd’ nicht irgendwie komisch angeguckt.«
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