März 2019
Wo in der Großstadt können Kinder heute noch ungestört herumtoben, sägen, hämmern, eine eigene Hütte bauen, sich um Tiere oder den Garten kümmern, gemeinsam kochen oder zusammen am Feuer sitzen? Wo, außer auf Aktivspielplätzen? 15 Aktivspielplätze gibt es derzeit in Nürnberg. Wir haben den AKI in Gostenhof besucht und das bunte Leben in der Nürnberger Austraße beobachtet.
Die Aktivspielplatzidee entstand in den 1970er Jahren in Skandinavien, doch schon bald wurden auch in Deutschland erste Plätze zur Verfügung gestellt, auf denen Kinder aktiv werden konnten. Zunächst, in Zeiten der antiautoritären Erziehung, waren Aktivspielplätze Orte, an denen sich Kinder selbst verwirklichen sollten, möglichst frei und unabhängig von den Vorstellungen Erwachsener.
Heute sind die Aufgaben, denen sich die Pädagogen auf den Aktivspielplätzen stellen müssen, weitaus breiter gefächert. Im Laufe seines über 40-jährigen Bestehens hat sich der AKI in Gostenhof von einem reinen Freizeitangebot zur familienergänzenden Einrichtung entwickelt, die Kinder aus unterschiedlichsten Kulturkreisen und Bildungsschichten über viele Jahre begleitet und unterstützt.
»Wir sagen immer, Bildung ist so das Gut, dass sie sich irgendwie schaffen müssen im Laufe ihrer Entwicklung, um auch was erreichen zu können im Leben, um mal irgendwie eine gute Ausbildung machen zu können, um einen guten Abschluss zu schaffen, und viele Kinder, vor allem auch die Kinder mit Migrationshintergrund, aber auch deutsche Kinder haben da oft Probleme, brauchen Unterstützung von uns, und die geben wir Ihnen jeden Tag.«
Die Möglichkeiten, seine Freizeit auf dem AKI zu verbringen, sind vielfältig. Eine der Hauptattraktionen ist der Hüttenbau – neben dem Spaß, den die Kinder dabei haben, lernen sie, mit richtigem Werkzeug zu arbeiten und sich selbst zu organisieren – natürlich mit Unterstützung der Betreuer. »Es gibt Untersuchungen, die bestätigen, dass die Erfahrungen, die die Kinder bei uns machen können, ihnen auch im übrigen Leben helfen, weil sie gelernt haben, dass es Risiken gibt im Leben, ganz grundsätzlich, und dass sie da selber auch Verantwortung haben, auf sich selber zu achten.«
Seit vielen Jahren gibt es eine Hausaufgabenbetreuung, täglich wird gemeinsam gekocht und die Kinder erhalten Hilfe, wenn es um die berufliche Zukunft geht. »Die haben mich alle gefragt, was ich werden will, habe ich gesagt, ja, weiß ich nicht, und ja, dann haben die mir eben angeboten, mit mir Bewerbungen zu schreiben, Stellen zu suchen, und durch die Fahrradwerkstatt habe ich eben gemerkt, dass ich sehr gerne mit zwei Rädern arbeiten will, und habe dann jetzt auch eine Ausbildungsstelle als Zweiradmechaniker, Fachrichtung Fahrradtechnik.«
Viele der ehemaligen Aktivspielplatzkinder kommen auch heute noch regelmäßig und fühlen sich mit dem AKI verbunden. »Auf jeden Fall habe ich gelernt, mich alleine zu beschäftigen, als Kind vor allem, und grundlegende Sachen wie Teilen und Freunde finden auch, manchmal ist es auch nicht so einfach in der Schule, wenn man z.B. irgendwie gemobbt wird oder so, hier findet man immer irgendjemanden, der einen mag.«
Februar 2019
Der Maler Manfred Hürlimann ist ein Wanderer durch die Zeiten und durch die Geschichte, die Geschichte der Kultur.
Er lässt sich dabei von keinem Trend verleiten, bleibt sperrig, aber erzählt gleichzeitig kleine Geschichten, die sich dem Betrachter oft erst auf den zweiten Blick erschließen.
Er streift den Mythos der Antike ebenso wie die Renaissance, das Barock, die Gegenwart, nahezu alles interessiert ihn. Der Mensch bleibt darin fast immer gleich, ein Archetypus, dem Leben ausgeliefert, ausgesetzt.
Hürlimanns großformatige Bilder bestechen durch das Prinzip der Leere. Nur an den beiden Eckpunkten der Bilder finden sich seine Figuren, oftmals Bilder wie uralte und zugleich surreale Rätsel, moderne Mirakel.
Manfred Hürlimann bringt in seinen Bildern phänomenale Widersprüche, wilde Abgründe und Ambivalenzen menschlicher Existenz zusammen, Lust und Verlust der Epochen und überträgt die Motive mühelos in die Gegenwart.
Wir haben die Kulturjournalistin Barbara Bogen bei einem Gespräch mit dem Künstler begleitet und seine jüngste Ausstellung in der »Galerie in der Promenade« in Fürth besucht, wo er, wie er es liebt, mit seinen Bildern auf die spezielle Situation des Ortes einging.
November 2018
Freakrunning ist eine Laufgruppe für Menschen mit und ohne psychische Erkrankung. Die Gruppe fällt schon alleine durch ihren gewollt provozierenden Namen auf. Freakrunning geht andere Wege als herkömmliche Selbsthilfegruppen. Die Laufgruppe gibt es seit über fünf Jahren und die Zahl der Mitlaufenden wächst stetig. Wir sprechen mit Jörg Bayer – dem Gründer von Freakrunning – und begleiten die Gruppe auf ihrer wöchentlichen Tour um den Wöhrder See. Dabei kommen wir auch mit weiteren Läufern ins Gespräch und befragen Mediziner, warum gerade Ausdauersportarten bei psychischen Problemen eine Therapiemöglichkeit sein können.
Volle Rückendeckung für dieses außergewöhnliche Konzept gibt es vom Verein »Nürnberger Bündnis gegen Depression«. Er wurde im Januar 2001 als bundesweit einzigartiges Modellprojekt in Nürnberg ins Leben gerufen und hat sich mittlerweile sehr erfolgreich etabliert. Evelyn Kretzschmar engagiert sich seit der Gründung in dem Verein und ist in der Reportage kompetente Ansprechpartnerin zu den Fragen, wie die gesundheitliche Situation depressiver Menschen verbessert und wie das Wissen über diese Krankheiten in der Bevölkerung erweitert werden kann.
Selbsthilfegruppen sind heute ein anerkannter und unverzichtbarer Teil unseres Gesundheits- und Sozialsystems. In Mittelfranken gibt es derzeit fast 900. Gerade bei psychischen Problemen wie Depression oder bipolaren Störungen kann Gemeinschaft helfen. Die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen, kurz »Kiss« in Nürnberg informiert, berät und unterstützt zu allen Belangen rund um die gesundheitsbezogene und soziale Selbsthilfe. Wir stellen diese Einrichtung vor und sprechen mit Mitarbeitern und Verantwortlichen über ihre Arbeit und die Erfahrungen im Umgang mit den verschiedenen Gruppen, zu denen auch die Freakrunner gehören.
Die 30-minütige Reportage zeigt am Beispiel der Freakrunner, welchen Halt und welche Unterstützung Selbsthilfegruppen den Betroffenen und Angehörigen bei psychischen Problemen geben können. Der Film möchte damit auch die Entstigmatisierung dieser Erkrankungen voran bringen.
Oktober 2018
Im September 2018 kamen Kinder und Jugendliche aus 10 Ländern zu einer Gipfelkonferenz der Kinder nach Nürnberg in die Straße der Menschenrechte.
Bei dem von Johannes Volkmann und seinem Team vom Nürnberger Papiertheater initiierten Kunstprojekt geht es darum, Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben. Dazu fanden im Vorfeld in den Heimatländern der Gipfelkonferenzteilnehmer Kinderkonferenzen statt, bei denen Themen und Fragen, die die Kinder bewegen, erarbeitet und anschließend in künstlerischer Form präsentiert wurden.
Rund 60 dieser Kinder kamen jetzt nach Nürnberg und überlegten gemeinsam, wie sie ihren Belangen mehr Gewicht verschaffen können.
Sie versuchten, Konsum neu zu denken, wollten Zeichen gegen die Gewalt in der Welt setzen, stellten sich und den Erwachsenen »die Geldfrage« und machten sich Gedanken darüber, wie sie ihre Botschaften in kreativer Form unter die Menschen bringen können.
April 2018
Der zweite Teil der Filmdokumentation über den Jazz in und aus Nürnberg beleuchtet wieder die regionale Musik-Szene.
Wir machen diesmal einen Abstecher nach Berlin, zu einem renommierten Musiker mit fränkischen Wurzeln. Frank Möbus gilt als einer der wichtigsten Jazz-Gitarristen Europas. Der Einfluss, den seine Band »Der Rote Bereich« auf den Jazz in Deutschland hat, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Ähnlich erfolgreich, aber vielleicht noch ein wenig experimentierfreudiger zeigt sich der in Schwabach geborene Komponist Peter Fulda in seinem Projekt »Orpheus has just left the building«, einem Musikprojekt zwischen Barock und Jazz. Im Schwabacher Stadtmuseum bringt er zusammen mit dem MetropolMusik Verein außerdem Werke des Komponisten Werner Heider zur Aufführung.
Im BR-Studio Franken begleiten wir die Trägerin des Bayerischen Kunstförderpreises 2017, Rebecca Trescher, mit ihrem Ensemble 11 bei der CD-Produktion und portraitieren unter anderem den Beruf eines Musikinstrumentenbauers aus der Nürnberger Südstadt.
Den Abschluss bildet das junge Musiktalent Felix M. Valentin. Er lässt im Rahmen seiner Masterarbeit künstlerisch anspruchsvoll und tiefgründig den Jahrtausende alten europäischen Natur-Spiritismus und Reinkarnations-Glauben in einer außergewöhnlichen Komposition musikalisch erklingen.
DISSONANT wurde finanziell unterstützt durch das Kulturreferat der Stadt Nürnberg.
Januar 2018
Philipp Moll war Poet, Philosoph, Musiker und Künstler. Unter dem Pseudonym »Die Weltanschauungsbeauftragten« forschte er seit 2006 gemeinsam mit Martin Fürbringer über »Kultursterbebegleitung, Paranoiaevaluation oder Muttermechanik«. Die beiden sahen sich als »Detektoren für Unstimmigkeiten«, die die Kommerzialisierung der Kunst kritisieren und sich aufgerufen fühlten zu verhindern, dass die »Kirchen so nen Begriff blockieren, der eigentlich weit über das hinaus geht, was die kirchliche Zuständigkeit ist.«
Bei ihren Arbeiten benutzten sie bevorzugt Materialien, die sich leicht verarbeiten lassen, sich dabei aber »schön anfassen«. Wenn sie sich auf ein neues Projekt einließen, gab es oft erst einmal nicht viel mehr als eine grobe Idee. Mit einem Auto, vollgepackt mit Pappe, Heißklebepistole, Nägeln, Schraubzwingen und Cuttermesser fuhren sie dann los und ließen sich vor Ort von den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten inspirieren.
Sie schafften es immer, Emotionen bei den Besuchern auszulösen: »Bei den meisten Leuten ist es das Gefühl der Hilflosigkeit zuallererst, manche werden dann aggressiv und gehen gleich wieder. Die, die bleiben, die kichern oft gern ein bisschen und schauen es sich dann genauer an, und das ist eigentlich das, wo wir hinwollen.«
Bei der Entstehung einer ihrer letzten Arbeiten in einem Bierkeller einer alten Brauerei in Bayreuth anlässlich des 250. Geburtstages des Schriftstellers Jean Paul durften wir dabei sein.
Dezember 2017
»Er war Poet, Philosoph, Musiker und Künstler. Er war so durch und durch Künstler, dass er Interpretationen und Erläuterungen über seine Arbeit und sachliche Erklärungsversuche der menschlichen Existenz, und des Lebens an sich für dummes eitles Geschwätz gehalten hat. Philipp war Menschenfreund, Mokkatrinker, Feinschmecker, wunderbarer Zuhörer und begnadeter Erzähler.«, so lautet die Ankündigung zu einer Veranstaltungsreihe, die Freunde und langjährige Weggefährten im Herbst 2017 aus Anlass des ersten Todestages von Philipp Moll organisiert haben.
Als wir Philipp Moll 2012 im Rahmen eines Filmes über die Fürther Künstlerin Julia Frischmann kennenlernten, entstand schnell der Wunsch, Philipp filmisch zu portraitieren. Als er im letzten Jahr verstarb, war schon vieles gedreht. Mit der Unterstützung von Philipps Freunden ist es gelungen, den Film fertigzustellen. Entstanden ist ein Portrait und gleichzeitig ein Nachruf auf einen besonderen Künstler und Menschen.
Philipp Moll stammte aus Lauf, absolvierte eine Schreinerlehre und studierte zunächst evangelische Theologie, bevor er an die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg wechselte und dort sein Kunststudium abschloss. Schon während der Schulzeit lernte er seinen langjährigen Freund Matthias Egersdörfer kennen. Beide stellten schnell fest, dass sie den gleichen Humor haben und so begann bereits am Gymnasium eine kreative Zusammenarbeit. In den 1990er Jahren lebte Philipp mit Freunden auf einem alten Bauernhof im fränkischen Winterstein. Sie gründeten den Kulturverein Winterstein und nutzten den ehemaligen Kuhstall für Ausstellungen, Lesungen und Konzerte. In dieser Zeit entstand auch die Band Fast zu Fürth, in der Philipp Moll bis zuletzt das Waschbrett und allerlei andere kleine Instrumente bediente.
Mit dem Bauernhaus in Winterstein hatte es 1996 ein Ende. Zur Freude von Philipp ergab sich 2004 in der Nürnberger Südstadt erneut die Möglichkeit, Wohnen und künstlerische Aktivitäten zu verbinden. Im Kunst- und Kurhaus Katana e.V. brauchte Philipp nur eine Treppe hinunterzugehen, um sich auf der Bühne in seiner monatlichen Veranstaltungsreihe »Molls bunter Trichter« mit seinen Gästen zu treffen oder seine literarischen Arbeiten wie Briefe an sich selbst, Zeitunsgskolumnen oder sein 2013 erschienenes Buch »Blumen und Wurst« dem Publikum zu präsentieren.
Im Bereich der Bildenden Kunst arbeitete Philipp ab 2006 unter dem Label Die Weltanschauungsbeauftragten mit Martin Fürbringer zusammen. Mit ihren Arbeiten sahen sie sich als Gegenpol zu einer sich immer stärker kommerzialisierenden Kunstwelt und beschlossen, gemeinsam im Bereich der »Kultursterbebegleitung, Paranoiaevaluation oder Muttermechanik« zu forschen.
Mit Philipp Moll hat die Region einen Menschen verloren, der in seiner menschlichen und künstlerischen Einzigartigkeit bei denen, die das Glück hatten, ihn kennen zu dürfen, noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Oktober 2017
Fahrrad fahren – das lernt man als Kind, das kann man einfach! So geht es den meisten Menschen. Für sie ist das Fahrrad ein Alltagsgegenstand, den sie nach Lust und Laune ganz selbstverständlich nutzen.
Es gibt allerdings auch Menschen, die das Fahrrad fahren nie gelernt haben oder sich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr auf das Fahrrad trauen. Menschen wie die 75-jährige Linde, die sich nach einem Sturz nicht mehr aufs Rad gewagt hat, oder Heinz, dem die Ärzte nach einem Schlaganfall gesagt haben, dass er wohl nie mehr Fahrrad fahren kann, oder Susuana, die in ihrer ehemaligen Heimat das Fahrrad fahren nie gelernt hat, jetzt aber gerne mit ihrem Enkel gemeinsam etwas unternehmen möchte. Für sie bietet der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. in Nürnberg, kurz ADFC, seit einigen Jahren Fahrradkurse für Erwachsene an.
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